Lage im Donbass spitzt sich zu, EU verlängert Russland-Sanktionen, Selenskyj will gegen Oligarchen vorgehen und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Die Situation im Kampfgebiet spitzt sich zu. In den letzten 24 Stunden wurde im Einsatzgebiet der ukrainischen Vereinten Kräfte im Donbass 13 Mal feindlicher Beschuss registriert. Dies geht aus dem Morgenbericht der ukrainischen Armee hervor. Beschuss gab es in der Gegend von Piwdenne, Kateryniwka, Luhanske, Lebedynske, Opytne, Awdijiwka und Pisky. Ähnlichen Beschuss gab es auch an anderen Tagen der Woche.

Gegenseitiger Vorwurf, eine Offensive zu planen. Die prorussischen Rebellen behaupten, die Ukraine bereitet eine Offensive vor. Der Anführer der selbsternannten “Donezker Volksrepublik”, Denis Puschilin, sagte dem russischen TV-Sender “Rossija 24” am 9. März, dass die Ukraine beabsichtige, den Konflikt gewaltsam zu lösen. Er bezeichnete eine umfassende Offensive der Ukraine jedoch als unwahrscheinlich und sagte, er vermute, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versuchen könnte, “seine Beliebtheitswerte mit lokale Feindseligkeiten zu retten”.

Vertreter des ukrainischen Militärs sprechen hingegen von provokativen Aktionen der prorussischen Rebellen. “Das Ziel der feindlichen Aktionen besteht darin, Gegenfeuer von Einheiten der Streitkräfte der Ukraine zu provozieren, um so russische Medienberichte zu begleiten, wonach angeblich die ukrainischen Militärs ein gewaltsames Szenario vorbereiten würden”, sagte Anna Nowizka, Sprecherin des Kommandos der ukrainischen Vereinten Kräfte. Ihr zufolge stellt eine solche Situation “eine Zuspitzung der Situation im Einsatzgebiet der Vereinten Kräfte” dar.

Am 8. März meldete die “Eastern Human Rights Group” Kolonnen von Militärtechnik, die aus Russland in der sogenannten “Donezker Volksrepublik” ankommen, aber auch den Beginn einer Rekrutierung von Freiwilligen zur Teilnahme an Kämpfen. “Dies sieht eher nach der Vorbereitung auf eine Offensive und eine neue Eskalation des Konflikts aus”, sagte dem ukrainischen Sender “Hromadske” die Leiterin der gesellschaftliche Organisation, Wira Jastrebowa. Sie meint, es werde versucht, einen künstlichen Vorwand zu schaffen, um eine Aggression zu rechtfertigen. Sie fügte hinzu: “Je mehr sich dieser Konflikt zuspitzt, desto besser ist es für die politischen Lobbyisten Russlands in der Ukraine”, sagte sie.

Ukrainisches Präsidialamt: Friedensplan. Am 10. März erklärte der Leiter des Büros des Präsidenten, Andrij Jermak, dass Deutschland, Frankreich und die Ukraine einen Plan zur friedlichen Beilegung des Konflikts im Donbass entwickelt hätten und auf eine Antwort Russlands warten würden. “Der in dieser Phase entwickelte Friedensplan enthält sogenannte Cluster – Schritte, die dem Geist und dem Prinzip der Minsker Abkommen und dem Völkerrecht entsprechen. Sollte man sich über sie einigen, werden sie die Grundlage für einen Fahrplan sein, der wirklich Frieden bringen würde und zur Rückkehr und Wiedereingliederung der besetzten Gebiete in die Ukraine und zu Kommunalwahlen führen würden”, sagte Jermak.

Der Leiter der ukrainischen Delegation bei der Trilateralen Kontaktgruppe, Leonid Krawtschuk, war direkter. “Die ukrainische Delegation wird viele Vorschläge zur Prüfung eines Friedensszenarios unterbreiten. Aber wenn sich jene Seite verweigert, dann bleibt nur noch eines: uns zu verteidigen”, sagte der erste Präsident der Ukraine. 

Somit könnten die “Cluster” der letzte Versuch der Ukraine und ihrer westlichen Partner sein, mit Russland eine Einigung über die Rückkehr der besetzten Gebiete zu erzielen.


Die EU verlängert ihre Sanktionen gegen Russland

Der Rat der Europäischen Union hat die Sanktionen gegen Einzelpersonen und juristische Personen, die 2014 aufgrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine verhängt wurden, um weitere sechs Monate verlängert. Die Sanktionen wurden für die nächsten sechs Monate bis zum 15. September 2021 verlängert”, heißt es in der Erklärung. Die Sanktionen gelten gegen 177 Personen und 48 juristische Personen und umfassen Reisebeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten und das Verbot der Bereitstellung von Bargeld oder anderen wirtschaftlichen Ressourcen.

Der Außenminister der Ukraine, Dmytro Kuleba, begrüßte die Entscheidung der EU: “Die EU-Sanktionen müssen bis zur vollständigen Wiederherstellung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine in Kraft bleiben. Russland muss seine aggressive Politik gegenüber unserem Staat aufgeben.”


Präsident Selenskyjs zu Sanktionen: “Die Ukraine wehrt sich”

Am 11. März gab der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Erklärung zu vielen wichtigen Themen ab, darunter zu den Sanktionen gegen Medwedtschuks TV-Kanäle und auch gegen den Oligarchen persönlich. Die Videobotschaft ist Gegenstand einer breiten Diskussion in Talkshows sowie unter Experten, Politikern und in der Zivilgesellschaft. Was sind die wichtigsten Botschaften von Selenskyj?

“Die Ukraine wehrt sich.” Als legitime Selbstverteidigung des Staates gegen feindliche Elemente bezeichnete Selenskyj die jüngsten Sanktionen des ukrainischen Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates gegen Medwedtschuk und seine Sender. “Zunächst haben wir Versuche, die Ukraine durch Propaganda und Fehlinformationen zu spalten, gestoppt. Am 2. Februar 2021 wurden Aktivitäten von Personen blockiert, die es für normal hielten, in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine Geschäfte zu machen und Desinformations-Bataillone zu finanzieren, die die Ukrainer mit Lügen und Manipulationen attackieren”, sagte er und fügte hinzu: “Am 19. Februar wurden Vermögenswerte, Eigentum, Lizenzen und Genehmigungen von Unternehmen, die mit Herrn Medwedtschuk verbunden sind, blockiert. Es wurde auch angewiesen, die Ölpipeline Prykarpatsachidtrans wieder in Staatsbesitz zu bringen.”

Zu den US-Sanktionen gegen Kolomojskyj. Am 5. März verhängten die USA gegen den ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskyj Einreise-Sanktionen. Und am 4. März schrieb die Sprecherin des ukrainischen Präsidenten, Julia Mendel, in einem Artikel für ein ausländisches Magazin, Selenskyj erfülle mit seinem Kampf gegen die Oligarchen seine Wahlversprechen. In seiner Videobotschaft sagte Selenskyj selbst: “Was die Sanktionen der USA gegen die ehemaligen Eigentümer der PrivatBank angeht, so unterstützen wir diese Entscheidung und arbeiten daran, das Geld in die Ukraine zurückzuholen, damit in der Ukraine Gerechtigkeit wiederhergestellt wird. Das Hauptprinzip besteht darin, dass wir den Unterschied zwischen Big Business und der Oligarchischen Klasse deutlich sehen. Und die Namen machen hier keinen Unterschied: Medwedtschuk, Kolomojskyj, Poroschenko, Achmetow, Pintschuk, Firtasch oder sonst jemand. Wichtig ist nur, ob man bereit ist, legal und transparent zu arbeiten, oder ob man weiterhin Monopole schaffen, die Medien kontrollieren, Abgeordnete und andere Beamte beeinflussen will. Das erste wird unterstützt, mit dem zweiten ist es vorbei.”

Die Krim und das Charkiw-Abkommen. Selenskyj kam gesondert darauf zu sprechen, dass der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat den Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) angewiesen hat, zu prüfen, ob die Ratifizierung des sogenannten Charkiw-Abkommens durch das Parlament am 27. April 2010 Hochverrat war. Jenes Abkommen von Charkiw hatten der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew und der damalige ukrainische Staatschef Viktor Janukowytsch unterzeichnet. Es betraf ein breites Spektrum der ukrainisch-russischen Beziehungen, aber vor allem verlängerte es das Abkommen zwischen der Ukraine und Russland über den Status und die Bedingungen der Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte in der Ukraine um 25 Jahre (von 2017 bis 2042). Im Gegenzug erhielt die Ukraine einen erheblichen Rabatt auf russisches Gas.

Es war gerade die Präsenz der russischen Flotte in der Ukraine, die die Annexion der Halbinsel im Jahr 2014 erleichterte. Für das Charkiw-Abkommen hatten 236 Abgeordnete gestimmt, darunter Rinat Achmetow, Ihor Palyzja, Jurij Iwanjuschtschenko und Vitalij Chomutynnyk. Im Fokus des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates befinden sich nun über 230 Abgeordnete, die damals für dieses Abkommen votiert hatten.

“Wir haben gestern endlich das gemacht, was schon 2014 hätte gemacht werden sollen. Es wurde eine staatliche Strategie zur De-Okkupation und Wiedereingliederung der Krim und der Stadt Sewastopol in die Ukraine verabschiedet. Denjenigen, die mit irgendetwas gerechnet haben, sage ich: Vergesst es, dass die Ukraine die Krim vergessen wird. Gleichzeitig, wenn wir über die De-Okkupation sprechen, muss man logisch feststellen: Wer hat die Bedingungen für die Okkupation geschaffen, und wie? Wir reden nicht nur vom Jahr 2014, sondern auch über die Billigung des sogenannten Charkiw-Abkommens”, so Selenskyj.

Angesicht der klaren Nachteile für die Ukraine durch das Abkommen von Charkiw im Jahr 2010 stellen sich hier sehr viele Fragen. Erstens ist eine reale strafrechtliche Verfolgung der damaligen Abgeordneten unmöglich. Denn in Artikel 80 der Verfassung heißt es ausdrücklich, dass die Abgeordneten der Ukraine keine rechtliche Verantwortung für die Abstimmungsergebnisse tragen. Das heißt, der Aufruf an den SBU, Strafverfahren gegen 236 Abgeordnete der sechsten Legislaturperiode einzuleiten, ist nichts anderes als PR. Zweitens ist die mögliche politische Bestrafung einiger jene Abgeordneter zu bezweifeln, da einige von ihnen im jetzigen Parlament sitzen und führende Positionen in Ausschüssen innehaben: Ihor Palyzja von der Gruppe “Für die Zukunft” ist Sekretär des Ausschusses für Finanzen, Steuern und Zoll. Serhij Larin von der Partei “Oppositions-Plattform – Fürs Leben” ist Sekretär des Ausschusses für digitale Transformation und Julia Ljowotschkina von derselben Fraktion ist stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik und interparlamentarische Zusammenarbeit. Palyzja zu bestrafen würde bedeuten, sich mit seiner Abgeordnetengruppe zu streiten, die dem Präsidialamt regelmäßig bei Abstimmungen über Selenskyjs Gesetzentwürfe hilft. Und Larin und Ljowotschkina sind die engsten Mitarbeiter von Serhij Ljowotschkin. Beobachtern zufolge ist sein Einfluss aufs Präsidialamt in letzter Zeit gestiegen. Daher ist zu bezweifeln, dass die Präsidenten-Partei “Diener des Volkes” sich dieser Sache wird annehmen wollen.

Drittens gehört zu denjenigen, die für das Charkiw-Abkommen gestimmt haben, Serhij Hrynewezkyj, den Selenskyj per Dekret am 27. November 2020 zum Leiter der regionalen Staatsverwaltung von Odessa ernannt hat.

Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat würde mit Ermittlungen auch Ruslan Demtschenko angreifen, der seit dem 16. Juni 2020 der erste stellvertretende Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates ist und laut Medienberichten seit dem 17. Juni auch den Vorsitz des Geheimdienst-Ausschusses beim Präsidenten der Ukraine innehat. Unter Janukowytsch war Demtschenko stellvertretender und erster stellvertretender Außenminister und zuständig für die Politik gegenüber Russland. Das Außenministerium bestreitet jedoch, Demtschenko sei an der Ausarbeitung des Charkiw-Abkommens beteiligt gewesen.


Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft

Die Pandemie-Lage in der Ukraine verschlechtert sich. In der Ukraine wurden am Sonntag 6792 neue Fälle von Coronavirus-Infektionen bestätigt, darunter bei 326 Kindern und 109 Medizinern. 2497 Menschen kamen ins Krankenhaus, 130 Menschen sind gestorben. 3491 Menschen wurden als genesen gemeldet.

Die Ukraine belegt weltweit den 9. Platz in Bezug auf die Anzahl der Neuinfektionen und den 5. Platz in Europa.

Coronavirus in der Armee. In den Streitkräften der Ukraine leiden derzeit 1615 Menschen an COVID-19. Insgesamt haben sich während der Pandemie 16.696 Angehörige der Armee von der Krankheit wieder erholt und 50 sind gestorben. In den letzten 24 Stunden wurden 94 neue Fälle registriert und neun Personen kamen ins Krankenhaus. Seit Beginn der Impfung wurden in den Streitkräften 6296 Menschen geimpft, darunter 1341 Mediziner des Militärs.