Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Bewaffnete Verbände der Russischen Föderation ignorieren weiterhin die Waffenruhe und beschießen die Stellungen der Streitkräfte der Ukraine. Am 31. Oktober wurden 14 Waffenstillstandsverstöße der russischen Besatzungstruppen registriert, davon vier mit Waffen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. An anderen Wochentagen kam es zu ähnlichen Verstößen.
Russland zieht erneut Truppen an der Grenze der Ukraine zusammen
Russische Truppen konzentrieren sich erneut an der Grenze zur Ukraine. Vor dem Hintergrund der Spannungen zwischen Moskau und der NATO löst die Bewegung russischer Truppen an der Westflanke Russlands in den USA und in der EU Besorgnis aus. Das berichtet die Washington Post unter Berufung auf Gesprächspartner unter US-amerikanischen und europäischen Vertretern, die ungenannt bleiben möchten.
In den letzten Tagen sind in sozialen Medien Videos aufgetaucht, die russische Militärzüge und Konvois zeigen, die in Süd- und Westrussland große Mengen militärischer Ausrüstung, darunter Panzer und Raketen transportieren.
Die Wiederaufnahme der russischen Truppenbewegungen erfolgt vor dem Hintergrund einer Unzufriedenheit des Kremls mit der Annäherung der Ukraine an die NATO und Differenzen zwischen Moskau und der nordatlantischen Allianz. Russland hatte seine NATO-Mission in Brüssel am 18. Oktober geschlossen, nachdem das Bündnis acht Mitglieder der russischen Mission wegen Spionagevorwürfen ausgewiesen hatte.
Diskussion um Einsatz einer Bayraktar-Drohne durch die Ukraine im Donbass
Am 26. Oktober setzte die Ukraine erstmals eine Bayraktar-Drohne aus türkischer Produktion gegen die von Russland unterstützten Separatisten der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” ein. Dabei wurde eine russische Haubitze getroffen, die auf ukrainische Stellungen feuerte. Die Russische Föderation reagierte auf den Einsatz der Drohne mit einer neuen Desinformationskampagne, an der sich Außenminister Sergej Lawrow und der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow beteiligten. Deutschland und Frankreich äußerten Besorgnis im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Minsker Vereinbarungen. Die USA unterstützten trotz Bedenken die Ukraine. Was ist die Drohne vom Typ Bayraktar? Wie verlief der Einsatz und stellt er einen Verstoß gegen die Minsker Vereinbarungen dar? Droht eine Zuspitzung der Lage im Donbass?
Was ist die Bayraktar-Drohne? Bayraktar TB2 ist eine in der Türkei entwickelte Kampf- und Aufklärungsdrohne. Der Hersteller ist die Firma Baykar Makina, der Erstflug fand 2009 statt. Ihren Namen verdankt die Drohne dem Namen des Firmengründers Özdemir Bayraktar, was auf Türkisch “Fahnenträger” bedeutet.
Das 6,5 Meter lange Gerät mit einer Flügelspannweite von 12 Metern kann eine Geschwindigkeit von bis zu 200 Kilometer pro Stunde erreichen sowie zwei Tage ununterbrochen in der Luft sein. Drohnen diesen Typs können ein Ziel aus einer Höhe von sieben Kilometern treffen und sind gegen viele veraltete oder niedrige feindliche Flugabwehrraketensysteme unverwundbar.
Die Türkei setzte solche Drohnen erstmals 2014 in Kurdistan ein. Seitdem werden sie bei vielen anderen Militäroperationen, auch in anderen Ländern, aktiv verwendet. Beispiele sind die Operation “Olivenzweig” in Syrien (2018) und der Krieg in Libyen, wo die Drohne von der Türkei selbst eingesetzt wurde, sowie der Krieg in Berg-Karabach (Herbst 2020), wo die Bayraktar-Drohne eine große Rolle bei der Niederlage der armenischen Truppen gespielt hat. Seit diesen Einsätzen gilt Bayraktar als ein “Star” auf dem Drohnen-Markt.
Woher hat die Ukraine die Drohne? Bereits Anfang 2019 vereinbarten die Ukraine und die Türkei Lieferungen von Bayraktar TB2-Drohnen der türkischen Streitkräfte an die ukrainische Armee. Laut der 2020 veröffentlichten “Vision der Streitkräfte der Ukraine” sollen in den nächsten zehn Jahren sechs bis 12 Bayraktar TB2-Komplexe in den Dienst der ukrainischen Armee kommen, also bis zu 48 Drohnen (sechs bis 12 Kontrollstationen mit drei bis vier Drohnen).
Mit Stand von Oktober 2021 hat die Ukraine 12 Bayraktar-Drohnen in ihrem Arsenal, aber bis zum 26. Oktober wurde noch keine zu Kampfzwecken eingesetzt.
Was ist über den ersten Kampfeinsatz bekannt? Am 26. Oktober 2021 zeigte das ukrainische Militär erstmals, wozu die Bayraktar-Drohne fähig ist. Wie der Generalstab der Streitkräfte der Ukraine später mitteilte, wurden an diesem Tag die Stellungen der ukrainischen Armee im Bezirk Hranitne (Gebiet Donezk) von einer Batterie D-30-Haubitzen der russischen terroristischen Kräfte beschossen. “Die Russen hatten die Batterie direkt auf der Straße stationiert, ohne Schutz, in voller Überzeugung dessen, dass sie ungestraft davon kommen”, berichtete der ukrainische Journalist Jurij Butusow.
Der Beschuss dauerte von 14.25 Uhr bis 15.15 Uhr, dabei wurden zwei ukrainische Soldaten verwundet – einer von ihnen starb später. Die ukrainische Seite forderte einen sofortigen Waffenstillstand, sowohl über die Sonderbeobachtermission der OSZE (SMM) als auch auf diplomatischem Weg. “Die Besatzer haben jedoch nicht reagiert”, teilt der Generalstab mit.
Um den Feind zu zwingen, das Feuer einzustellen, befahl der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Walerij Saluschnyj, den Einsatz der Bayraktar-Drohne. Ohne jedoch die Kontaktlinie zu überschreiten, zerstörte die Drohne mit Hilfe einer Lenkbombe eines der Artilleriegeschütze der russischen Besatzungstruppen. Daraufhin wurde der Beschuss ukrainischer Stellungen eingestellt.
Verbieten die Minsker Vereinbarungen Drohnen? Nachdem die Ukraine die Bayraktar-Drohne eingesetzt hatte, begannen Vertreter der Russischen Föderation und der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” der ukrainischen Führung vorzuwerfen, mit dem Einsatz der Drohne in der 30-Kilometer-Zone von der Demarkationslinie angeblich gegen die Minsker Vereinbarungen verstoßen zu haben.
Von einem Verstoß sprach auch indirekt das deutsche Auswärtige Amt. Ein Sprecherin zeigte sich besorgt über die Kampfhandlungen und darüber, “dass alle Seiten Drohnen einsetzen”. Berlin wies darauf hin, dass der Einsatz von Drohnen im Konfliktgebiet “allein der OSZE vorbehalten ist”.
Als Reaktion darauf erinnerte der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk daran, dass die Ukraine die Drohne als Reaktion auf die von Russland unterstützten Separatisten eingesetzt habe, die mit verbotenen Waffen gefeuert hätten. Melnyk betonte gegenüber der Zeitung BILD, die ukrainische Seite weise die Abmahnung des Auswärtigen Amtes entschieden zurück. Die Ukraine habe “das legitime Recht auf Selbstverteidigung, wenn ihr Staatsgebiet Tag und Nacht mit schweren russischen Waffen beschossen wird und Zivilisten und Soldaten getötet werden”.
Ferner zitiert BILD den Konfliktforscher Alex Kokcharov vom britischen Informationsdienst “IHS Markit”. Er sagte: “Das Minsker Waffenstillstandsabkommen verbietet die Präsenz schwerer Waffen in der Nähe der Kontaktlinie, jedoch nicht den Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen. Wahrscheinlich aufgrund der Tatsache, dass die Ukraine zum Zeitpunkt der Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk 2014-15 keinen Zugang zu Kampfdrohnen hatte.”
Oleksij Arestowytsch, Sprecher der ukrainischen Delegation bei der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk, machte eine ähnliche Erklärung. Unter Berufung auf Screenshots von Dokumenten in russischer und englischer Sprache erinnerte er daran, dass die Minsker Vereinbarungen nur den Einsatz “ausländischer Drohnen” verbieten würden. Die Bayraktar-Drohe sei aber eine der ukrainischen Streitkräfte und keine “ausländische”.
Arestowytsch erinnerte zudem daran, dass die Ukraine gezwungen gewesen sei, eine Kampfdrohne einzusetzen, nachdem russische bewaffnete Verbände die Minsker Vereinbarungen verletzt hätten, indem sie 122-mm-Artillerie eingesetzt und einen ukrainischen Soldaten getötet, einen weiteren verletzt und mehrere Wohnhäuser beschädigt hätten. Außerdem sei der Versuch gescheitert, den Koordinierungsmechanismus zur Verhinderung von Waffenstillstandsverletzungen in Gang zu setzen.
Die ukrainischen Streitkräfte hätten, so Arestowytsch, die Drohne gezielt eingesetzt. Die feindliche Artillerie, die auf die ukrainischen Kräfte gefeuert hätten, sei genau getroffen worden. “Wir hätten unsere Artillerie einsetzen können, da die Reichweite zum Ziel mehr als zehn Kilometer betrug, aber wir haben uns bewusst für die Möglichkeit entschieden, den Feind genau zu treffen, statt wahllos zu feuern, um mögliche Verluste unter Zivilisten zu minimieren”, fügte Arestowytsch hinzu.
Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft
Am 31. Oktober wurden in der Ukraine 13.936 Fälle von Coronavirus-Erkrankungen und 298 Todesfälle registriert. 3828 Menschen wurden mit COVID-19 oder dem Verdacht darauf ins Krankenhaus eingeliefert. 5885 Menschen wurden als genesen gemeldet. Während der gesamten Pandemie in der Ukraine wurde das Coronavirus bei 2.936.238 Menschen nachgewiesen, 2.442.098 Menschen sind inzwischen genesen und 68.027 Menschen sind gestorben.
Quarantäne. Innerhalb der vergangenen Woche wurden die Quarantäne-Maßnahmen in den meisten Gebieten des Landes verschärft. Seit dem 1. November ist für das Betreten öffentlicher Verkehrsmittel, von Einkaufszentren und Restaurants ein PCR-Test oder eine Coronavirus-Impfbescheinigung erforderlich.
Impfung. Angesicht der verschärften Maßnahmen für ungeimpfte Bürger haben sich in der letzten Oktoberwoche in der Ukraine 1.740.231 Menschen gegen das Coronavirus SARS CoV 2 impfen lassen. Das sind mehr Menschen als im gesamten Monat Juni. Das Hauptmotiv zur Impfung zu gehen ist der Anstieg der Anzahl von Infektionen und Todesfällen. Aber die Ukrainer lassen sich auch angesichts der neuen Regeln für öffentliche Verkehrsmittel, Einkaufszentren und Restaurants nun massenhaft impfen.