Selenskyj und Parlamentswahlen, die Krim in den russischen Medien, Streit vor Hamburger Seegerichtshof und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Bewaffnete Verbände der Russischen Föderation haben aus manuellen Panzerabwehrgranaten die Ortschaft Trawnewe beschossen und damit die Zivilbevölkerung in Lebensgefahr gebracht. Zum Glück gab es keine Opfer unter den friedlichen Einwohnern. Der Feind feuerte auch auf die ukrainische Armee mit Granatwerfern verschiedener Systeme, mit großkalibrigen Maschinengewehren und Kleinwaffen sowie mit Mörsern vom Kaliber 120 mm, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind.


Amtseinführung von Selenskyj und Parlamentswahlen: Was ist zu erwarten?

Altes oder neues Parlament? Der neu gewählte ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird sich gleich nach seiner Amtseinführung mit dem Parlament befassen müssen. Die nächsten Parlamentswahlen sind für den 27. Oktober dieses Jahres angesetzt. Bis dahin wird Selenskyj gezwungen sein, entweder mit dem jetzigen Parlament zusammenzuarbeiten, in dem er weder über eine Mehrheit noch über eine Fraktion oder Abgeordnetengruppe verfügt, oder er wird das Parlament auflösen, um vorgezogene Wahlen herbeizuführen.

Datum ist entscheidend.Selensky hat bereits erklärt, er wolle das Recht nutzen können, das Parlament aufzulösen. Doch das könnte er nur vor dem 27. Mai 2019 tun. Denn laut Verfassung darf der Präsident das Parlament spätestens sechs Monate vor Beendigung der Legislaturperiode auflösen. Deswegen will Selenskyj, dass seine Amtseinführung am 19. Mai stattfindet. Dann hätte er acht Tage Zeit, um ein Dekret zur Auflösung des Parlaments zu unterzeichnen. Selensky fordert in einem Video die Abgeordneten auf, für eine Amtseinführung am 19. Mai zu stimmen.

Somit liegt nun das Schicksal des Parlaments allein in den Händen der Abgeordneten. Der Verfassung zufolge legt das Parlament das Datum der Amtseinführung fest. Wenn es einer Amtseinführung am 19. Mai zustimmt, signalisiert es damit dem neu gewählten Präsidenten, zu einer Auflösung bereit zu sein. Sollten die  Abgeordneten aber ein Datum für eine Amtseinführung erst nach dem 27. Mai festlegen, dann wäre das ein klares Signal an Selenskyj, dass das Parlament ihm nicht traut und vorgezogene Parlamentswahlen verhindern will. Nach Angaben der stellvertretenden Parlamentsvorsitzenden Iryna Heraschtschenko werden sich die Abgeordneten mit dieser Frage am 14. Mai befassen.

Gibt es Grund für eine Parlamentsauflösung? Selenskyjs Berater Dmytro Rasumkow hat bereits erklärt, als Grund für eine solche Entscheidung könnte die Tatsache dienen, dass es im Parlament keine Koalition gibt. Gegenwärtig bilden die Fraktionen “Block Petro Poroschenko” (BPP) und “Volksfront” eine formelle Mehrheit. Sie sind die zwei letzten verbliebenen Fraktionen der einstigen “Koalition der nationalen Einheit”, die im jahr 2014 aus fünf Fraktionen gebildet wurde. Bereits im April 2016, als das Parlament die Regierung von Wolodymyr Hrojsman bestätigte, kamen “BPP” und “Volksfront” auf 227 von 450 Abgeordneten, also auf eine minimale Mehrheit. Seitdem sind beide Fraktion jedoch geschrumpft und kommen zusammen noch auf 215 Abgeordnete. Mit Stimmen fraktionsloser Abgeordneter werden seitdem Gesetze mit situativen Mehrheiten verabschiedet


Studie: Die Krim in den russischen Medien

Fünf Jahre nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland nutzen die russischen Medien weiterhin jede Gelegenheit, um ihr internationales Publikum daran zu erinnern, dass die Krim jetzt “russisch” sei. Experten des ukrainischen “Instituts für Massenmedien” haben die wichtigsten russischen Medien analysiert, um festzustellen, in welchem Kontext sie die besetzte Krim erwähnen.

So ist den Berichten über die Krim im Gegensatz zu den Nachrichten über die Ukraine alles bestens, weil die Halbinsel eben “russisch” sei. Die Studie ergab, dass der Großteil der Nachrichten (33 Prozent) von einer sogenannten “Verbesserung des Lebens” der Menschen auf der Krim handeln. Demnach wachse die Zahl der Touristen und auf der Halbinsel werde wieder alles instand gesetzt. An zweiter Stelle (16,5 Prozent) sind Berichte, in denen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens betonen, dass die Krim “russisch” ist. An dritter Stelle (14,7 Prozent) sind Nachrichten über Verschiedenes auf der Krim. An vierter Stelle (13,8 Prozent) kommen Berichte über den neu gewählten Präsidenten Selenskyj.

Für die Studie wurden die laut “Liveinternet.ru” fünf wichtigsten Nachrichten-Webseiten beobachtet: “RIA Novosti”, “Komsomolskaya Pravda”, “Gazeta.ru”, “Izvestiya” und “Lenta.ru”. Die Stichproben umfassten Nachrichten vom 22. bis 26. April 2019. Untersucht wurden Berichte, in denen die besetzte Krim erwähnt wurde. Insgesamt wurden in dieser Zeit 109 Nachrichtenbeiträge geprüft.


Geiseln des Kremls: Oleh Senzow fünf Jahre in Haft

Am 10. Mai sind es genau fünf Jahre her, als der ukrainische Filmregisseur Oleh Senzow auf der besetzten Krim festgenommen wurde. Im August 2015 verurteilte ihn ein russische Gericht aufgrund erfundener Terrorismus-Vorwürfe zu 20 Jahren Gefängnis. Derzeit befindet sich Senzow im Straflager im Labytnangi im Norden Russlands. Filmemacher und Menschenrechtsaktivisten organisierten in Kiew eine Aktion, um den Regisseur und andere ukrainische Geiseln des Kremls zu unterstützen. Im Internet gibt es folgende Dokumentarfilme über Senzow: The Trial, des russischen Regisseurs Askold Kurow, und der englischsprachige Film des ukrainischen Senders “Hromadske” From Crimea to Siberia: How Russia is Tormenting Political Prisoners Sentsov and Kolchenko.


Streit um ukrainische Seeleute vor dem Internationalen Seegerichtshof

Am 10. Mai hat der Internationale Seegerichtshof in Hamburg eine Klage der Ukraine gegen Russland wegen der in der Straße von Kertsch festgenommenen ukrainischen Seeleute verhandelt. Die Russische Föderation weigert sich, an den Anhörungen teilzunehmen. Moskau meint, das Gericht sei nicht befugt, den Fall zu prüfen. Das Fehlen Russlands verhinderte jedoch nicht die Anhörung. Die Ukraine war bei den Anhörungen durch eine Delegation unter der Leitung der stellvertretenden Außenministerin Olena Serkal vertreten.

Worum geht es?Laut Klage geht es in dem Streit zwischen den Ländern darum, dass am 25. November 2018 Russland illegal ukrainische Kriegsschiffe festgesetzt und ihre Besatzungen festgenommen hat. Die ukrainischen Schiffe kamen aus Odessa und wollten die Straße von Kertsch passieren.

Die stellvertretende ukrainische Außenministerin Olena Serkal sagte, Russland habe das Grundprinzip der Immunität von Kriegsschiffen verletzt, das durch die UN-Konvention über Seerecht garantiert wird. Sie betonte, die drei ukrainischen Schiffe seien in Hoheitsgewässern der Ukraine festgesetzt worden. Russlands Vorgehen ist aber in jedem Fall ein Verstoß gegen das Übereinkommen, auch wenn es sich um russische Hoheitsgewässer gehandelt hätte. Kriegsschiffe und ihre Besatzungen dürfen nicht von Sicherheitskräften ausländischer Staaten festgenommen und vor ausländische Gerichte gestellt werden. Trotzdem stehen die ukrainische Militärs in Russland vor Gericht und werden im Moskauer Lefortowo-Gefängnis festgehalten.

Wie ist Russlands Position?Moskau betont, die Entscheidungen des Internationale Seegerichtshofs hätten keine Rechtskraft, da das Vorgehen der Ukraine in der Straße von Kertsch als militärisch eingestuft werden müsse. Der Rechtsanwalt Mykola Polosow, der die ukrainische Delegation berät, kritisierte, einerseits werfe die Russische Föderation der Ukraine vor, militärisch vorgegangen zu sein, und andererseits behandele Moskau die ukrainischen Seeleute nicht als Kriegsgefangene.

Was könnte ein Urteil bringen?Das Gericht hatte bereits Anhörungen abgehalten und einstweilige Anordnungen gegen die Russische Föderation erlassen, obwohl keine russischen Vertreter anwesend waren. Der wohl bekannteste Fall ist der des niederländischen Schiffes “Arctic Sunrise”, als Greenpeace-Aktivisten im Jahr 2013 eine Protestaktion an einer russischen Bohrinsel in der Petschorasee durchgeführt hatten. Die russische Küstenwache nahm das Schiff und alle Besatzungsmitglieder und Passagiere fest. Russland lehnte damals ab, sowohl an den Anhörungen des Internationalen Seegerichtshofs teilzunehmen als auch dessen Entscheidungen umzusetzen. Doch nach einiger Zeit ließ Russland alle Aktivisten frei und zahlte an die niederländische Regierung eine Entschädigung in Höhe von mehreren Millionen Euro.

Das Gericht kann auch diesmal die russischen Behörden verpflichten, die festgesetzten ukrainischen Schiffe und Seeleute unverzüglich freizulassen. Eine Ablehnung könnte zu einer politischen und wirtschaftlichen Reaktion der westlichen Verbündeten der Ukraine führen. Am 25. Mai soll eine Zwischenentscheidung des Gerichtshofs in diesem Fall bekannt gegeben werden.


“Unsterbliches Regiment”: Wie der Kreml den Zweiten Weltkrieg für Propagandazwecke instrumentalisiert

Das “Unsterbliche Regiment” ist eine jährliche Veranstaltung, bei der die Russen, und nicht nur sie, an die Angehörigen erinnern, die im sogenannten “Großen Vaterländischen Krieg” von 1941 bis 1945 gekämpft haben. Die Tradition – ein Marsch mit den Porträts der Gefallenen und derjenigen, die den Krieg überlebt haben – begann 2011 in der russischen Stadt Tomsk mit der Bürgerinitiative “Unsterbliches Regiment”. Wenn man bedenkt, dass die Länder der ehemaligen Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg mit 27 Millionen Todesopfern die schwersten Verluste erlitten, ist der anfängliche Wunsch, die Erinnerung an diese Ereignisse zu bewahren, nachvollziehbar. Doch als der Kreml die Kontrolle über diese Initiative übernahm, wurde das, was als Bürgeraktion begann, zu einem Instrument der Einflussnahme in der Innen- und Außenpolitik. Mehr dazu in einem Bericht  der “Hybrid Warfare Ananlytic Group”(in englischer Sprache).