Lage in der ATO-Zone
Die Lage in der Ostukraine bleibt schwierig. Laut Angaben von ATO-Sprecher wurden 9 ukrainische Soldaten getötet und 42 weitere verletzt. Die massive Verlegung schwerer Militärtechnik, von Panzern, Raketensystemen und Artillerie an die Demarkationslinie zeigt, dass der Kreml ein neues Eskalationsstadium des Konflikts im Donbass will.
Gestern wurden die Positionen der ATO-Kräfte und Siedlungen 85 Mal beschossen, teilte das ATO-Pressezentrum mit. Das Epizentrum der Spannungen bleibt die Umgebung von Donezk, wo die ukrainischen Positionen und die Zivilbevölkerung 52 Mal beschossen wurden. Heute, nach Mitternacht, beschossen die pro-russischen Milizen Krymske und Solote im Gebiet von Luhansk mit Granatwerfern. Gegen Morgen nutzten die Milizen 20 GRAD-Raketenwerfer bei Nischne.
Ukrainische Soldaten werden vom 22. bis 26. Juni zusammen mit einer internationalen Mission von Schweden und Deutschland einen Beobachtungsflug über Russland durchführen, teilte der Vorsitzende des russischen Zentrums zur Verringerung einer atomaren Gefährdung, Sergej Ryschkow, mit. Russische Spezialisten werden auch mitfliegen und die Flugroute streng überwachen, sowie die Verwendung der durch Verträge vorgesehenen Kontrollapparate.
Ukrainische Beobachter am Gemeinsamenzentrum zur Kontrolle und Koordination bei Fragen zur Feuerpause und Stabilisierung der Demarkationslinie stellen täglich mehrfach fest, dass die Milizen die Positionen der ukrainischen Streitkräfte beschießen. „In Richtung Donezk-Awdejewka wurde in der vergangenen Woche eine tägliche Zunahme des Beschusses durch die Milizen festgestellt. So schlugen am 16. Juni 28 Mal Granaten bei den Positionen der ukrainischen Streitkräfte ein, am 17. Juni 37 Mal, am 18. Juni 41 Mal, am 19. Juni 45 Mal, und am 20. Juni 53 Mal“, heißt es vom Zentrum.
Die Milizen zerstören weiterhin die Infrastruktur im Donbass. Aufgrund Schäden an einer Brücke im Gebiet von Trojzke ist der Verkehr blockiert und deshalb die Lieferung von humanitärer Hilfe in das an der Front liegende Dorf derzeit nicht möglich.
Die Sondermonitoringmission der OSZE (SMM) in der Ukraine berichtet, dass die von Russland gestützten Milizen weiterhin schwere Waffen einsetzen, einschließlich GRAD-Mehrfachraketenwerfer. Die Situation um den zerstörten Flughafen von Donezk und in dem Dorf Schirokine in der Nähe der von der Ukraine kontrollierten Stadt Mariupol bleibt angespannt. Die Mission entdeckte auch Panzer und Artillerie-Systeme im Gebiet, das von der selbsternannten „Donezker Volksrepublik“ kontrolliert ist, und die zu nahe an der vereinbarten Grenzlinie stehen.
Simon Ostrovky, Journalist bei ViceNews, veröffentlichte ein Video mit Beweisen über die Präsenz russischer Soldaten in der Ukraine. Ostrovky zeigte, wie ein russischer Soldat, der sibirische Burjate Tamir (Bato) Danbaev aus Ulan-Ude (an der Grenze zur Mongolei) in das ukrainische Debalzevo kam.
Hier finden Sie eine Reportage zu neuen Fahrzeugen und Ausrüstungen, die die EU an ukrainische Grenzsoldaten übergab.
Eine Reportage über Horliwka von Augenzeugen auf englisch.
Menschenrechte
Das Außenministerium wird eine Liste mit Russen erstellen, die an Rechtsverstößen gegen Ukrainer beteiligt waren, erklärte der Botschafter für Sonderaufgaben beim ukrainischen Außenministerium, Dmitrij Kuleba. Ziel dieser Initiative ist, Beleidigungen gegen die illegalen politischen Häftlinge, wie Nadija Sawtschenko und Oleg Senzow, zu bestraften. Der Termin, wann das Außenministerium die Liste erstellt, wurde nicht genannt. Danach sollen persönliche Sanktionen gegen diese Personen verhängt werden.
Der Anwalt der illegal inhaftierten ukrainischen Pilotin erklärte, dass Nadija Sawtschenko bis zu 13 Jahre Haft in Russland drohen. Nach seinen Angaben hofft die ukrainische Verteidigung der Pilotin nicht mit einem gerechten Urteil, weil sich die Rechtslage in Russland in den vergangenen 20 Jahren änderte.
Der TV-Sender ATR der Krimtataren nimmt ab 18. Juni seine Übertragung auf dem Festland der Ukraine nach über zwei Monaten wieder auf, nachdem er durch die russische Behörde für Rund- und Fernsehübertragungen auf der annektierten Krim geschlossen wurde. Der einzige TV-Sender der Krimtataren auf der Welt wird zahlreiche Nachrichten über die Krim senden, die deshalb ausgesetzt wurden, weil der Sender geschlossen wurde und Journalisten auf der Halbinsel verfolgt wurden.
Der Bericht einer inoffiziellen türkischen Delegation beinhaltet zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gegen Krimtataren seit der russischen Annexion der Halbinsel im März 2014 (vollständiger Bericht auf englisch).
Während der Okkupation der Krim wurden Verstöße gegen grundlegende Menschenrechte festgestellt. Dies geht aus dem Bericht „Menschenrechte im besetzten Gebiet am Beispiel der Krim“ hervor, der im Ukrainischen Crisis Media Center vorgestellt wurde. Das Rechtsgutachten wurde von der Menschenrechtsgruppe „Rasom“ (Gemeinsam) erstellt.
Reformen in der Ukraine
Die Dezentralisierung der Finanzen vergrößerte in den ersten fünf Monaten die lokalen Budgeteinnahmen um 10 Mrd. Hryvna (um 36,8 Prozent), teilte der stellvertretende Minister für Regionalentwicklung, Bau und die Wohnungs- und Kommunalwirtschaft in der Ukraine, Wjatscheslaw Negoda, mit.
Der Vorsitzende der Werchowna Rada reichte bei der Venezianischen Kommission einen Gesetzentwurf zur Änderung der ukrainischen Verfassung ein, der die Dezentralisierung betrifft. In dem Entwurf werden die Vollmachten der lokalen Selbstverwaltung und des Staates klar abgegrenzt.
Das Portal iGov.org.ua ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit von Staat und Freiwilligen und wurde bei einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center vorgestellt. Dmitrij Schimkiw, der stellvertretende Chef der Präsidialverwaltung, berichtete, dass das Gesetz „Über Verwaltungsdienstleistungen“ bereits 2012 beschlossen wurde und dass sich das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung mit der Einführung eines Portals beschäftigte, das aber bisher nicht gestartet wurde. Allerdings schlossen sich die Zivilgesellschaft und Wirtschaftsvertreter zusammen, um einen Online-Service für die Ukraine zu entwickeln und um eine konkrete Ressource zu schaffen. Dieses Modell, wenn sich Bürger bei der Schaffung einer Informationsressource beteiligen, und sich der Staat dazu verpflichtet, diese dann zu nutzen, braucht keine staatlichen Mittel.
Die Reformierung des ukrainischen Innenministeriums kommt mindestens ein Jahr zu spät. Dies berichteten Menschenrechtler während einer Pressekonferenz beim Ukrainischen Crisis Media Center. Sie analysierten 4 Gesetzentwürfe und konzentrierten sich dabei besonders auf den Gesetzentwurf „Über die nationale Polizei“. Nach Angaben von Alexandra Matwejtschuk, Vorstandschefin des Zentrums für Bürgerfreiheiten und Koordinatorin bei Euromaidan SOS, besteht der größte Mangel darin, dass der Wettbewerb um Ämter keinen Schutz vor Oligarchen bietet. Das heißt, der Leiter jeder Abteilung wird beliebig nach eigenem Ermessen bestimmt. „Wir kennen die ständige Korruptionstradition in unserem System. Wir sehen einen breiten Spielraum für Korruptionsmissbräuche und einen Verstoß gegen das Transparenzprinzip bei der Arbeit der Polizei, das eigentlich in der Entwicklungsstrategie des Innenministeriums vorgesehen war“, erklärte Matwejtschuk.
Wirtschaft
Private Kreditoren gaben der Ukraine während der Regierungszeit des gestürzten Expräsidenten Viktor Janukowitsch 40 Mrd. USD. Diese Kredite werden allmählich zurückgezahlt, um die Auslandsschulden des Landes zu senken, teilte der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jazenjuk, mit. Die Ukraine konnte 2014 14 Mrd. USD an ausländische Kreditoren zurückzahlen, während die Schuldenneuaufnahme weitaus geringer war.
Holländische Investoren planen, 50 Mio. Euro in den Bau eines Industrieparks bei Lwow zu investieren. Die Fläche des Parks soll 100.000 Quadratmeter betragen, worauf 20-30 Produktionsstätten geplant sind und der Arbeit für 3.000 Spezialisten gewährleistet wird.
Die ukrainische Produktion verringert sich bereits das dritte Jahr in Folge. In den ersten fünf Monaten 2015 ging die Industrieproduktion gegenüber Januar-Mai 2014 um 21,2 Prozent zurück. Dies zeigen die Daten des staatlichen Statistikamts.
Umfrage
Eine Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie, wie die Ukrainer bei einem Referendum über einen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union Ende Mai 2015 abstimmen würden, ergab: 48,8 Prozent dafür; 28,4 Prozent dagegen, 12,4 Prozent unentschieden, und 10,5 Prozent hätten nicht teilgenommen. Die Einstellung zu einem EU-Beitritt unterscheidet sich in den verschiedenen Regionen der Ukraine wesentlich. In der Westukraine ist eine absolute Mehrheit für einen EU-Beitritt (78 Prozent) und 11 Prozent dagegen. In der Zentralukraine hätten 57 Prozent der Befragten dafür gestimmt und 20 Prozent dagegen. Im Süden und Osten ist eine Mehrheit gegen einen EU-Beitritt der Ukraine: Wenn das Referendum durchgeführt worden wäre, hätten im Süden 40 Prozent dagegen gestimmt und 33 Prozent dafür; im Osten 48 Prozent dagegen und 22 Prozent dafür. Seinerseits sind bei einem Referendum über einen möglichen Beitritt der Ukraine zur Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan 18,6 Prozent dafür und 56,8 Prozent dagegen, 12,5 Prozent unentschieden und 12,2 Prozent hätten an einem solchen Referendum nicht teilgenommen.
Pressekonferenzen im Ukrainischen Crisis Media Center
„Eng zusammen oder weit auseinander?” Der Bericht über die polnische, deutsche und russische Sicht auf die russisch-ukrainische Krise, der von der Bertelsmann-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau vorbereitet wurde, basiert auf Umfragen, die in Deutschland, Polen und Russland durchgeführt wurden. Dabei wurde die Bevölkerung der jeweiligen Länder über ihre Meinung zu dem russisch-ukrainischen Konflikt befragt, sowie zu Sanktionen und den entsprechenden Maßnahmen der Regierungen. Der Bericht wurde am 18. Juni 2015 von Lukasz Wenerski und Cornelius Ochmann, dem Direktor der Stiftung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, in Kiew vorgestellt. (Studie)
„Wie kann man die Wirtschaft der Ukraine stabilisieren?” Diese Studie wurde von Wiener Institut für Internationale Beziehungen (WIIW) durchgeführt. Der Bericht wurde am 18. Juni im Ukrainischen Crisis Media Center von Michael Landesmann und Peter Havlik vorgestellt.
Interview
Hromadske International veröffentlichte eine Wochenübersicht (auf englisch): Lage in der ATO-Zone, Flüchtlinge in der Ukraine, Gerechtigkeit während des Krieges, Entlassung des Chefs von dem ukrainischen Sicherheitsdienst usw.