Das niederländische Referendum zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine

Kiew, 6. April 2016 – Heute (am 06.04.2016) können die Niederländer ihre Haltung zum Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zum Ausdruck bringen. Nach der letzten Information wird die Beteiligung zwischen 28 – 31% der Stimmberechtigten betragen, erklärte die ukrainische Parlamentsabgeordnete Switlana Salischtschuk im Ukraine Crisis Media Center während einer Skype-Schaltung aus Den Haag. Gerade die Wahlbeteiligung wird entscheidend sein, ob das Referendum gültig ist (sie muss mehr als 30% betragen). Die größten Medienanstalten und Umfrageinstitute einigten sich darauf, die Entwicklung der Wahlbeteiligung im Tagesverlauf während der Abstimmung nicht zu veröffentlichen.

Die Kommunen werden jedoch Angaben zur Wahlbeteiligung veröffentlichen und können das ungefähre Resultat errechnen. Ob die Wahlbeteiligung über 30% betragen hat, wird man am 06.04. nach 21.00 Uhr erfahren. Nach 21.00 Uhr werden die Exit-Poll-Ergebnisse veröffentlicht.

Nach ihren Worten ist zu erwarten, dass bei einer Wahlbeteiligung von über 30% wahrscheinlich eine Mehrheit gegen das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine stimmt. Man erwarte aber einen eher geringen Vorsprung der „Nein“-Stimmen. In der lokalen Presse wurden mögliche Entwicklungsszenarien dargestellt. Erstens ist es klar, dass es sich lediglich um ein konsultatives Referendum handelt, sein Charakter ist nicht bindend. Nach dem Referendum sollte die Regierung die Frage an das Parlament weitereichen, damit das weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit im niederländischen Parlament besprochen und entschieden werden kann. Wenn der Unterschied zwischen den Nein- und den Ja-Stimmen nur gering ausfällt, sagen wir 52% zu 48%, wäre dem Handeln der niederländischen Regierung eine ausreichende Legitimität gegeben, um den bereits getroffene Ratifizierungsbeschluss beizubehalten. Falls die Mehrheit der Nein-Stimmen sehr deutlich ausfällt, dann kann dies von der Mehrheit der politischen Kräfte nicht einfach ignoriert werden. Die Parteien können nicht ihre Wähler ignorieren. Das würde ein Präzedenzfall schaffen.

In der Geschichte der EU gab es keine entsprechenden Präzedenzfälle und somit gibt es keine Mechanismen, wie auf die Ergebnisse des Referendums reagiert werden soll. Der niederländische Premierminister wird gezwungen sein, Konsultationen in Brüssel durchzuführen, um einen Ausweg aus der Situation zu finden. 85 Prozent aller Bestimmungen im Assoziierungsabkommen fallen unter die überstaatliche Zuständigkeit der EU – alles, was die Freihandelszone betrifft, wird auf jeden Fall weiter in Kraft bleiben. 15 Prozent  aller Bestimmungen beziehen sich jedoch auf die nationalen Zuständigkeiten, d.h. die jeweiligen bilateralen Beziehungen der einzelnen EU-Staaten mit der Ukraine. Gerade bezüglich dieser 15 Prozent  wird man eine politische Lösung finden müssen.

Hat der Skandal mit den sogenannten „Panama Papers“ auf das Resultat Einfluss gehabt?

Wasyl Miroschnytschenko, Leiter des Büros des Ukaine Crisis Media Center in den Niederlanden erklärte, dass die ukrainischen Aktivisten den niederländischen Bürgern deutlich gemacht haben, dass dieses Abkommen mit dem Volk der Ukraine und der Ukraine als Staat unterschrieben wurde, nicht mit konkreten Personen. Die Implementierung dieses Abkommens stärkt die ukrainische Zivilgesellschaft und die unabhängigen Medien, die als Instrument zur Korruptionsbekämpfung dienen.

Der „Off-Shore“-Skandal kann jedoch die Ängste gegenüber der Ukraine stärken, unter anderem in Bezug auf die Korruption. Einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis haben die anti-europäische Stimmungen in bestimmten Teilen der Bevölkerung (Anmerkung: gerichtet nicht gegen Europa als solches, sondern gegen die EU, gegen überstaatliche Institutionen, deren Arbeit man nicht versteht etc.), die für alle EU-Mitgliedsstaaten typisch sind. Wasyl Miroschnytschenko führt aus, dass eine gewaltige Anzahl an Flüchtlingen, die aus Syrien oder Irak nach Europa strömen, ebenfalls diese anti-europäischen Stimmungen befeuern. Natürlich spielen dabei auch die Terroranschläge von Brüssel eine Rolle. Die Ukraine wird durch den Krieg wahrgenommen. Die Holländer wissen, dass es in der Ukraine eine große Anzahl an Binnenflüchtlingen gibt. Die Gegner des Assoziierungsabkommens fürchten, dass die ganzen Leute in die EU zu ihnen wollen. Mit diesen Ängsten wird manipuliert und es werden Stereotypen geschaffen, welche die ukrainischen Aktivisten widerlegen möchten.

Oleksandr Guzenko, stellvertretender Leiter des Büros des Ukraine Crisis Media Center in den Niederladen erläutert weiter, dass die Holländer die Korruption in der Ukraine als den größten Feind der Ukraine auffassen und nicht die russische Aggression. Die Holländer sind überzeugt, dass die Ukraine erst ihre inneren Probleme lösen muss.

Projekte der ukrainischen Aktivisten

Eines der effektivsten ukrainischen zivilgesellschaftlichen Projekte in den Niederlanden ist die Kampagne  «Hop Nederland Hop!» (Los Niederländer, auf geht’s!) – eine Auswahl von Videos talentierter ukrainischer Kinder, die die Niederländer dazu aufrufen, für die Ukraine zu stimmen. Nach den Worten von Hennadij Kurotschka, des Mitgründer des Ukraine Crisis Media Center, haben die größten niederländischen Zeitungen und Magazine über dieses Projekt berichtet. Dabei wurde verdeutlicht, dass die Kinder der Ukraine ihre Zukunft sind. Die Organisatoren hatten Befürchtungen, dass dieses Projekt beschuldigt wird, der Agitation zu dienen, was jedoch nicht geschehen ist. Das Video-Projekt wurde von mehr als 2,5 Mio. Besuchern bei YouTube gesehen. 85 Prozent von ihnen waren Niederländer.

50 Studenten der ukrainischen Akademie für Leadership haben niederländische Städte besucht und im Rahmen der Kampagne „Ukraine Freedom“ über die Ukraine erzählt. Mit Hilfe von mannigfaltigen Veranstaltungen und Treffen in Universitäten sei es gelungen, gemeinsame Werte zu finden, solche wie verbriefte Rechte, Freiheit und Unabhängigkeit, fügte Iwana Hrebenjak, Freiwillige der ukrainischen Akademie für Leadership aus Ternopil an.