Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Am 24. Oktober haben die russischen Besatzungstruppen viermal gegen den Waffenstillstand verstoßen, davon einmal mit Waffen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. An anderen Wochentagen kam es zu ähnlichen Verstößen. Darüber hinaus wurde die Arbeit der OSZE-Sonderbeobachtermission (SMM) im besetzten Donezk über mehrere Tage blockiert.
OSZE. Mitarbeiter der OSZE haben von der Blockade eines Hotels im besetzten Donezk berichtet, wo sie untergebracht waren. Aufgrund einer Kundgebung konnte die OSZE-Mission am 22. Oktober keine Patrouillen entsenden, um die Lage zu überwachen. Dies geht aus dem Bericht der OSZE-SMM vom 23. Oktober hervor.
Demnach hatten sich etwa 30 Menschen am Abend des 21. Oktober und in der Nacht zum 22. Oktober in der Nähe des Hotels versammelt. Am Nachmittag des 22. Oktober waren es bereits 250 Personen. Zur gleichen Zeit waren in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober etwa 20 unbekannte Männer in der Nähe des Hotels postiert, mindestens zwei standen paarweise vor dem Hotel.
Am 22. Oktober verließen drei Mitglieder der OSZE-SMM das Hotel, um nach ihrem Auto zu schauen. Neun angebliche Demonstranten erklärten, sie würden die Mitglieder der Mission beobachten, und sechs Personen filmten alles mit Handys.
Am selben Tag veranstalteten die Besatzer eine Show. Es wurden Lieder gesungen, Reden geschwungen und Plakate hochgehalten, auf denen die OSZE-Mission kritisiert wurde. Zudem wurde laute Musik gespielt. Ferner blockierten Angehörige der bewaffneten Formationen mit Autos, auf denen “Polizei” stand, die Eingänge zum Hotel. Zwei weitere Personen in Militärkleidung standen vor dem Gebäude.
Die Teilnehmer der Aktion zogen sich erst zurück, nachdem der sogenannte “Bürgermeister” des von Russland besetzten Donezk zu den Menschen gesprochen hatte. Die Besatzer begannen danach auch, die vor dem Hotel aufgestellten Zelte abzubauen.
Die Ukraine hat in den Gesprächen der Trilateralen Kontaktgruppe erklärt, Russland habe bewusst mit einer Politik der Verdrängung der OSZE aus dem Donbass begonnen.
Wladimir Putin: Mehr Gas für Europa erst nach Start von Nord Stream 2
Die Lieferungen über den ersten Strang der Pipeline Nord Stream 2, die bereits mit Gas gefüllt ist, können unmittelbar nach einer Genehmigung durch die zuständige deutsche Regulierungsbehörde beginnen. Das erklärte der russische Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen des Waldai-Diskussionsclubs, berichtet Interfax-Ukraine. Er fügte hinzu, dass die Befüllung des zweiten Strangs von Nord Stream 2 Mitte Dezember abgeschlossen sein werde.
Auf die Frage, ob Russland den europäischen Markt mit zusätzlichem Gas beliefern könne, sagte Putin: “Ja, das ist möglich, über Nord Stream 2. Der erste Strang ist mit Gas gefüllt, und wenn die deutsche Regulierungsbehörde morgen die Liefergenehmigung erteilt, können die Lieferung übermorgen beginnen.”
Was die Ukraine anbietet. Die Ukraine hat Russland einen Rabatt auf Erdgaslieferungen nach Europa angeboten, um die Versorgung zu erhöhen und die Energiekrise in der Region zu entschärfen. Dies sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview für Bloomberg. Der Rabatt würde für Erdgasmengen gelten, die die vereinbarten 40 Milliarden Kubikmeter pro Tag überschreiten würden, die die Ukraine bereits aus Russland nach Europa transportiert.
“Die Ukraine bietet allen potenziellen Transitländern diese zusätzliche Kapazität an. Wir würden gerne europäische Unternehmen als Kunden sehen, aber auch Gazprom bekommt zusätzliche Kapazitäten. Und angesichts des Rabatts gegenüber dem aktuellen Transittarif kann ich von einem Rabatt von 50 % ausgehen”, so Selenskyj.
Er sagte, die Ukraine diskutiere mit Berlin und Brüssel einen Vorschlag zum Gastransport. “Wir erwarten, dass sie bald Schritte unternehmen, um praktische Gespräche zu diesem Thema zu führen, das sicherlich für ganz Europa wichtig ist”, so der Präsident. Ihm zufolge garantiert die Ukraine ihrerseits den Transit, aber auch spezielle Anti-Krisen-Bedingungen für den Transit über die vorgeschriebenen Mengen hinaus.
Reaktionen in der Ukraine. Die Beraterin des ukrainschen Energieministers, Lana Serkal, erklärte, dass bis Ende des Jahres 5,6 Milliarden Kubikmeter durch Nord Stream 2 gepumpt werden könnten, und durch das Gastransportsystem der Ukraine 11 Milliarden Kubikmeter. Dies sagte sie in einem Interview für Radio Liberty. Ihr zufolge zielt Russland mit seiner Politik der Erpressung darauf ab, das ukrainische Gastransportsystem nicht weiter nutzen, das aber in der Lage sei, mehr Gas zu pumpen, als es heute Nord Stream 2 könne. Russland wolle die ukrainischen Leitungen nicht, um die eigenen zu nutzen, um dann volle Kontrolle ausüben zu können und Europa in der Hand zu haben.
Darüber hinaus erklärte Serkal, es bestehe die Gefahr, dass Nord Stream 2 ohne Zertifizierung in Betrieb gehe. Sie fügte jedoch hinzu, dass Ende nächster Woche ein Treffen auf G20-Ebene stattfinden werde. Dort werde man erörtern, wie die Länder diese Energie-Herausforderung meistern wollen. “Russland nutzt immer Krisensituationen aus. Und diesen ‘рerfect storm’, den wir jetzt sehen, nutzt Putin sehr gut aus”, so Serkal.
Wie Russland Gas als Waffe einsetzt
Die Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) hat dazu einen Beitrag in englischer Sprache veröffentlicht: How the Kremlin Weaponizes Gas Supplies in 2021
Russische Mythen über das ukrainische Gastransportsystem
Die Hybrid Warfare Analytical Group (HWAG) des Ukraine Crisis Media Center (UCMC) hat dazu einen Beitrag in englischer Sprache veröffentlicht: Top 3 Russian Myths About Ukraine’s Gas Transmission System
Wirtschaft: Neues Abkommen der Ukraine mit dem IWF
Die Online-Mission des Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Behörden der Ukraine haben sich auf Personalebene auf die erste Überarbeitung des Stand-By-Programms geeinigt. Die Ukraine erhält demnach eine Tranche von 700 Millionen US-Dollar, zudem wird das aktuelle Stand-by-Programm bis Ende Juni 2022 um sechs Monate verlängert. Es wird erwartet, dass das Exekutivdirektorium des IWF im November die Einigung zur ersten Überarbeitung des Programms und seine Verlängerung billigt. Am 19. Oktober, einen Tag nach der Bekanntgabe des erfolgreichen Abschlusses der Online-Mission des IWF, verabschiedete das ukrainische Parlament ein Gesetzespaket zur Arbeit der Nationalbank, das für die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Fonds erforderlich ist.
Die IWF-Mission dauerte vom 21. September bis 18. Oktober. Ivanna Vladkova Hollar, Chefin der IWF-Mission für die Ukraine, stellte fest, dass Experten des IWF und der ukrainischen Behörden eine Einigung über eine aktualisierte Liste wirtschafts-, finanz- und strukturpolitischer Maßnahmen erzielt haben. Ivanna Vladkova Hollar zufolge konzentriert sich das Programm auf Folgendes:
- Rückkehr der Finanzpolitik zu den Grundsätzen der mittelfristigen Schuldentragfähigkeit bei gleichzeitigem Schutz sozial schwacher Haushalte, Stärkung der Steuerverwaltung und Verringerung der steuerlichen Risiken aus quasi-fiskalischen Operationen, einschließlich solcher aus dem Energiesektor;
- Gewährleistung der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geldpolitik, die Inflation wieder auf ihr Ziel zu bringen;
- Verbesserung des finanziellen Wohlergehens der Banken, auch durch verantwortungsvolle Verwaltung, um die vollständige Kreditvergabe der Banken an den Privatsektor wiederherzustellen;
- Bekämpfung der Korruption und Vorantreiben der Justizreform;
- Verringerung der Rolle des Staates und privilegierter Gruppen in der Wirtschaft, um das Geschäftsumfeld zu verbessern, die Unternehmensführung zu stärken, Investitionen anzuziehen und das wirtschaftliche Potenzial zu optimieren.
Der IWF hatte am 9. Juni 2020 ein neues 18-monatiges Stand-By-Programm für die Ukraine in Höhe von rund fünf Milliarden US-Dollar genehmigt und sofort 2,1 Milliarden der ersten Tranche zugewiesen. Die Ukraine sollte 2021 vom IWF drei Tranchen in Höhe von insgesamt 2,2 Milliarden US-Dollar erhalten, doch im Februar endete die Online-Mission des Fonds zur ersten Überprüfung des Programms ohne Ergebnis. Der IWF hatte damals erklärt, für eine Gewährung von Mitteln sei größerer Fortschritt nötig.
Umfrage: Rating von Selenskyj und seiner Partei sinkt
Laut einer Umfrage des Kyjiwer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) läuft es für Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Partei nicht gut. Die Zustimmung der Wähler ist im letzten Monat deutlich zurückgegangen. Das geht aus einer Umfrage hervor, die vom 15. bis 18. Oktober mittels Telefoninterviews per Computer auf Basis einer Zufallsstichprobe von Mobiltelefonnummern durchgeführt wurde. Befragt wurden insgesamt 1200 Personen aus allen Regionen der Ukraine, außer der Autonomen Republik Krim.
Bewertung des Präsidenten. Wenn in naher Zukunft Präsidentschaftswahl stattfinden würden, würde Wolodymyr Selenskyj 19,1 % der Stimmen aller Befragten und 24,7 % derjenigen erhalten, die sich bereits entschieden haben. Vor einem Monat lagen diese Werte bei 25,4 % bzw. 33,3 %. Laut der KIIS-Umfrage sind 12,1 % aller Befragten und 15,6 % derjenigen, die sich bereits entschieden haben, bereit, für Selenskyjs Amtsvorgänger Petro Poroschenko zu stimmen. Vor einem Monat waren es 12,8 % bzw. 16,8 %.
Bewertung der Präsidenten-Partei. Zum ersten Mal seit langem verlor die Partei “Diener des Volkes” die Führung in der Rangliste der Parteien. Die Mehrheit der Befragten unterstützt derzeit die von Petro Poroschenko geführte Partei “Europäische Solidarität”. Laut der Umfrage würden 13,9 % der Befragten und 15,7 % derjenigen, die sich bereits entschieden haben, für die diese Partei stimmen. Für Selenskyjs Partei “Diener des Volkes” würden 13,7 % bzw. 15,5 % votieren.
Wie die Ukraine gegen COVID-19 kämpft
Die Lage bezüglich der Ausbreitung des Coronavirus in der Ukraine ist weiterhin kritisch. Am 24. Oktober wurden in der Ukraine 14.634 neue Fälle von Coronavirus-Erkrankungen und 330 Todesfälle registriert. 3912 Menschen wurden mit COVID-19 oder dem Verdacht darauf ins Krankenhaus eingeliefert. 4598 Menschen wurden als genesen gemeldet. Die Zahlen für das Wochenende fallen immer niedriger aus als an Wochentagen. Letzte Woche wurden Rekordwerte sowohl bei Neuinfektionen als auch bei Todesfällen gemeldet. Dazu ein Beitrag des UCMC: COVID-19: Die Ukraine am Rande des Kollaps
Während der gesamten Pandemie wurde in der Ukraine das Coronavirus bei 2.784.039 Menschen nachgewiesen, von denen 2.380.374 genesen und 64.202 gestorben sind. Derzeit leiden 339.463 Menschen in der Ukraine an dem Coronavirus.
Impfung. Gleichzeitig nimmt die Impfung an Fahrt zu. So wurden letzte Woche in der Ukraine über 1,5 Millionen Impfungen durchgeführt. Die Gesamtzahl der Impfungen nähert sich 16 Millionen.