Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 22.09.2015 bis 28.09.2015

Lage in der ATO-Zone

Die Waffenruhe wird seit 4 Wochen fast vollständig eingehalten. Dennoch meinen Experten, dass die Kampfhandlungen im Donbass wieder aufflammen können, falls der Auftritt von Putin bei der UN-Generalversammlung erfolglos endet. Dabei betonen manche Experten, dass ein Frieden in der Region möglich wäre, wenn sich die Situation nach dem Transnistrien-Szenario entwickelt. Das ukrainische Außenministerium ist der Meinung, dass Russland nur dann Frieden im Donbass zulässt, wenn es mit dem Westen zu einer Einigung in der Syrien-Frage kommt.

„Seit einem Monat setz der Gegner keine schweren Waffen (Panzer, Granatenwerfer und Artillerie) ein. Es wurden nur vereinzelt Provokationen und lokale Scharmützel an der vordersten Linie festgestellt. Meistens schossen Milizen ungezielt auf die ATO-Kräfte, um Gegenfeuer zu provozieren. Dabei versuchen die Rebellen die Regierungstruppen für eine Eskalation des Konfliktes verantwortlich zu machen“, berichtete der Sprecher der Präsidialverwaltung zu ATO-Fragen Oleksandr Motuzjanyk.

Trotz der relativ ruhigen Lage wurden die ukrainischen Streitkräfte 33 mal in der ATO-Zone beschossen. Während der vergangenen Woche starben mindestens 2 ukrainische Soldaten, 8 weitere wurden verletzt. Gestern wurden die ATO-Kräfte eineinhalb Stunden lang bei Marjinka beschossen. Weitere Verstoße gegen die Waffenruhe wurden bei Lozowe, Majorske und Luhanske (im Gebiet von Donezk) festgestellt.

Die Ukraine will eine dauerhafte und vollständige Waffenruhe, teilte der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jazenjuk, mit. Man fordert von Russland einen Waffenstillstand, der nicht nur vor der UN-Generalversammlung, sondern dauerhaft erfüllt wird. Die Ukraine ist bereit, faire und transparente Lokalwahlen in den Gebieten von Donezk und Luhansk durchzuführen. Dafür soll die ukrainische Gesetzgebung in den vorübergehend besetzten Gebieten wieder eingesetzt werden.

Die OSZE fordert, dass beide Konfliktparteien weitere Schritte festlegen und die Waffenruhe einbehalten. Die SMM-OSZE stellt ebenfalls eine relativ ruhige Situation fest. Die Lage im Gebiet von Donezk, insbesondere bei Horliwka, ist angespannt. Im Gebiet von Luhansk wurde die Waffenruhe nicht umgesetzt, teilte der stellvertretende Leiter der SMM-OSZE, Alexander Hug, mit.

Die Ukraine wird es nicht zulassen, dass in den vorübergehend besetzten Gebieten von Luhansk und Donezk Pseudolokalwahlen durchgeführt werden, betonte Petro Poroschenko. Dabei spielen die Erfahrung mit den illegalen Wahlen am 2. November 2014 eine Rolle. Der Präsident erinnerte an die klaren Forderungen der internationalen Gemeinschaft, dass diese Wahlen nicht der ukrainischen Gesetzgebung entsprechen, sowie keine freie Willensäußerung der Bevölkerung darstellen und deshalb nicht anerkannt werden.

Ein ukrainisches Gericht verurteilte einen russischen Major für die Durchführung eines Angriffskrieges gegen die Ukraine zu 14 Jahren Haft. Dies berichtete der Hauptmilitärstaatsanwalt Anatolij Matios. Major Starkow erkannte seine Schuld in vollem Umfang an (auf Englisch).

Die „LVR“ Milizionäre forderten, dass alle UN-Mitarbeiter das Gebiet der selbsternannten Republik sofort verlassen müssen (auf Englisch). Die Söldner der „DVR“ verweigerten 8 LKWs mit humanitärer Hilfe des Roten Kreuzes die Einfahrt (auf Englisch). „Ärzte ohne Grenzen“ merkten an, dass das Verbot ihrer Tätigkeit in der „LVR“ dazu führt, dass Zivilisten keinen Zugang mehr zu medizinischer Hilfe und Arzneien haben. Das ukrainische Außenministerium betonte, dass es illegal ist, die Tätigkeit humanitärer Organisationen zu verbieten (Erklärung des Ministeriums auf Englisch).

Der Besuch von Präsident Poroschenko in den USA

Der ukrainische Präsident traf sich im Rahmen der UN-Generalversammlung mit Staats- und Regierungschef führender Länder aus der EU und sicherte sich deren Unterstützung für die Ukraine. „Wir erhielten die Zusicherung, dass die Syrienfrage nicht mit der Ukrainefrage vermischt wird“, sagte der Präsident. Poroschenko betonte, dass die Ukraine entschiedene Schritte zum Schutz ihrer Souveränität, ihrer Unabhängigkeit und territorialen Integrität unternimmt, sowie Änderungen vorschlägt, die darauf abzielen, der UNO und dem UN-Sicherheitsrat die historische Mission zur Verteidigung der globalen Sicherheit zurückzugeben.

Der Auftritt des ukrainischen Präsidenten zur Beschließung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung im Rahmen der UN-Generalversammlung (auf Englisch). Das Hauptziel ist Frieden und Freiheit, damit sich die Menschheit entwickeln kann.

Korruptionsbekämpfung

Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, ist davon überzeugt, dass die Änderungen am Gesetz über die Staatseinkäufe eine starke Waffe bei der Bekämpfung aller Korruptionserscheinungen sind, wenn sie in Übereinstimmung mit internationalen Standards gebracht weden. Seinerseits werden die neugegründeten Organe, wie das Nationale Antikorruptionsbüro, die neue Polizei und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft entschieden gegen Korruptionäre vorgehen (Artikel auf Englisch).

Die Korruption wird in der Ukraine weiterhin blühen, da nur die Personen in den Behörden ausgetauscht werden, aber die Oligarchen auf ihren Posten bleiben, die Geld haben und ihnen dieses System in vielerlei Hinsicht Vorteile bringt, meinte der ehemalige georgische Präsident und derzeitiger Chef der staatlichen Gebietsverwaltung von Odessa, Michail Saakaschwili. Wie Vorsitzender anmerkte, wollte die EU einen Lohnfond für Beamte schaffen, was die ukrainische Seite blockierte.

Die Generalstaatsanwaltschaft weigert sich, gegen interne Korruption vorzugehen und sabotiert Reformen, die die ukrainischen Staatsführung durchführt. Dies meinte Geoffrey Pyatt, US-Botschafter in der Ukraine, während seines Auftritts bei einem Finanzforum in Odessa. Nach seiner Überzeugung behindert die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft alle Versuche des Parlaments, des Ministerkabinetts und des Nationalen Reformrats, die darauf abzielen, politische und wirtschaftliche Reformen anzustoßen. „Statt die Reformen in der Ukraine zu unterstützen und bei der Korruptionsbekämpfung zu helfen, machen die korrupten Beamten bei der Generalstaatsanwaltschaft alles schlimmer und sabotieren die Reformen offen und aggressiv“, sagte er.

Im neuerstellten Rating über die Budgettransparenz des weltweiten Netzes „International Budget“ fiel die Ukraine um 21 Positionen auf Platz 56 unter 102 Länder, die in dem Rating vertreten sind. Die Daten, die zur Erstellung des Ratings genutzt wurden, stammten von 2013 und der ersten Jahreshälfte 2014. Allerdings, wie die Experten anmerken, gab es seither keine radikalen Verbesserungen im Bereich der Budgettransparenz.

Reformen

Die Dezentralisierung, die Korruptionsbekämpfung und die Reformierung des Gerichts- und Rechtsschutzsystems sind von höchster Priorität bei der Arbeit des Parlaments, betonte der ukrainische Parlamentssprecher, Wladimir Grojsman. Alle anderen Änderungen werden schnell und effektiv umgesetzt, wenn diese Basisreformen verwirklicht sind, davon ist er überzeugt.

„Die Reform des Gerichtssystems darf keine kosmetische Reparatur werden, sondern muss eine Neuprüfung aller werden, die durch dieses System jahrzehnte Schmiergeld nahmen und weiter nehmen. Das Gerichtswesen des Landes muss nach dem gleichen Prinzip vollständig umgebaut werden, wie es bei der neuen ukrainischen Polizei geschah“, erklärte der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jazenjuk. Nach seiner Überzeugung, muss dieses Prinzip nicht nur auf andere Staatsämter ausgeweitet werden, sondern auch auf die Strukturen, von denen das Geschäftsklima im Land abhängt.

Der ukrainische Präsident, Petro Poroschenko, ist bereit, den Gesetzentwurf über den Staatsdienst zu unterstützen, der mit Hilfe der Europäischen Union ausgearbeitet wurde, teilte die EU-Vertretung in der Ukraine mit Hinweis auf deren Chef, Jan Tombinski, bei Facebook mit.

Weiter waren folgende Reformen wichtige Themen: makrofinanzielle Stabilisierung, Antikorruptionsreform, Reform des Staatsdiensts, Erneuerung der Stammbelegung, Deregulierung, Lebensmittelsicherheit. Hier finden Sie eine Zusammenfassung auf Deutsch zu den genannten Reformthemen.

Umfrage

Wohin wollen die Ukraine – zur EU oder zur EURASEC? Laut einer Untersuchung des Fonds „Demokratische Initiativen“ und des soziologischen Diensts des Rasumkow-Zentrums zogen 51 Prozent der Ukrainer eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union gegenüber einer Integration in die Eurasische Wirtschaftsunion (17 Prozent) vor. Gleichzeitig konnte sich fast ein Drittel der Befragten (31 Prozent) nicht für eine Integrationspriorität entscheiden. Laut der Umfrage überwiegt der Anteil für einen EU-Beitritt in der West- (82 Prozent) und Zentralukraine (52,5 Prozent). Im Süden stimmten 39 Prozent für eine EU-Integration und 26 Prozent für eine Integration in die EURASEC; 35 Prozent waren in dieser Region unentschlossen. Im Osten der Ukraine waren 26 Prozent für eine euroasiatische Richtung, und die Anhänger für die EU und Unentschlossene hielten sich praktisch die Waage (37,5 und 36 Prozent). In den befreiten Bezirken in den Gebieten von Donezk und Luhansk ist die öffentliche Meinung zwischen den drei Gruppen fast gleich verteilt – 31,5 Prozent für die EU, 34 Prozent für die EURASEC und 34 Prozent unentschieden. (Der vollständige Bericht auf Englisch.)

Krim

Während der ersten Blockadewoche passierte kein LKW die Verwaltungsgrenze zur annektierten Krim, teilte der Madschlis-Vorsitzende der Krimtataren, Refat Tschubarow, mit.

Eine Menschenrechtsgruppe für die Krim erklärte, dass sich der FSB (russischer Geheimdienst) in die Arbeit muslimischer Religionsgemeinschaften einmischt. Unter anderem sollen Moslems „prophylaktische Gespräche“ mit den Geheimdienstlern führen.

Seit dem Übergang der Krim unter russische Kontrolle herrscht auf der Halbinsel eine Atmosphäre der Angst, Einschüchterung, physischer Beeinflussung und psychischen Drucks, was die Vertreter der Krimtataren zu der schwierigen Entscheidung zwingt, ihre Heimat zu verlassen und ein besseres Leben auf dem Kontinentalteil der Ukraine zu suchen. Darüber berichtete Valerija Lutkowskaja, die von der Werchowna Rada der Ukraine zu Menschenrechtsfragen beauftragt wurde. (auf Englisch).

Außerdem plant die Russische Föderation und die Okkupationsbehörden auf der Krim, den Madschilis der Krimtataren zu verbieten. Der Madschilis wurde beschuldigt, mit dem „Rechten Sektor“ zusammenzuarbeiten und vom Westen finanziert zu werden. (Analyse auf Englisch)

Gasstreit

Die Ukraine, die Europakommission und Russland einigten sich vorläufig über die Lieferung russischen Gases. Das Abkommen über das allumfassende Winterpaket für 2015/2016 wurde paraphiert. Alle technischen Einzelheiten wurden vereinbart und der Rahmenvertrag ausgehandelt. Dies berichtete der EU-Energiekommissar Maros Sefcovic. Das paraphierte Protokoll tritt ab 1. Oktober 2015 in Kraft und gilt bis Ende März 2016. Laut diesem Vertrag wird die Ukraine einen Rabatt auf Gas erhalten. Der EU-Kommissar berichtete auch, dass sich die Ukraine verpflichtet, im Oktober 2 Mrd. Kubikmeter Gas zum Einpumpen in die unterirdischen Gasspeicher für 500 Mio. USD zu kaufen. Der ukrainische Minister für Energie und die Kohleindustrie, Wladimir Demtschischin, merkte an, dass Naftogaz bereits über die notwendigen Mittel für den Kauf dieses Gases verfügt.

Die russische „Gazprom“ will die Klausel „take or pay“ für „Naftogaz Ukraina“ bis 31. März 2016 aussetzen, die vorsieht, dass die im Vertrag vereinbarte Gasmenge unabhängig vom realen Kaufumfang bezahlt werden muss. Dabei behält sich die Gesellschaft nach wie vor alle Vertragsrechte vor, betonte „Gazprom“.

Wirtschaft

Die Europäische Union bereitete für die Ukraine ein Finanzhilfsprogramm vor, teilte der Leiter für Programme zur Zusammenarbeit bei der EU-Vertretung in der Ukraine, Berend de Groot, mit. „Der ungefähre Hilfsumfang von der EBRD und der EIB beträgt über 1 Mrd. Euro. Die Rede geht auch über direkte Hilfe von der EU in Höhe von 95 Mio. Euro.“ Nach seinen Angaben ist dieses Geld für inländische ukrainische Banken zur Kreditvergabe an ukrainische Unternehmen vorgesehen, die Hilfe bei der technischen Neuausstattung für die Warenproduktion entsprechend den Exportanforderungen der EU benötigen.

Kanada plant, in die Ukraine weitere 26 Mio. Kanadische Dollar zu investieren, sagte der kanadische Botschafter, Roman Waschuk, während eines Finanzforums in Odessa. Er äußerte die Hoffnung, dass diese Mittel der Nationalbank dabei helfen, mit den derzeitigen Schwierigkeiten klar zu kommen. In den vergangenen 18 Monaten investierte Kanada bereits 45 Mio. Kanadische Dollar in die Ukraine.

Seit Anfang 2014 verlor die Ukraine 25 Prozent (59) Banken, die für zahlungsunfähig erklärt wurden.

Die ukrainische Flugaufsicht verbot russischen Fluggesellschaften die Ukraine zu überfliegen. Der Nationale Sicherheitsrat der Ukraine übernahm die entsprechende Entscheidung vor wenigen Tagen, die ab 25. Oktober 2015 rechtskräftig wird.

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Präsident Poroschenko besuchte die UNO. Er forderte dazu auf, dass sich der Westen nicht von Putins Rede betrügen zu lassen.

Das Leben der Waisenkinder, die aus der ATO-Zone gebracht wurden.

Grenzsoldaten verhafteten einen 22-jährigen Italiener, der mit den DVR-Rebellen gegen die Ukraine kämpfen wollte.

Die Humanitäre Situation in dem Gebiet von Luhansk verschärft sich.

In New York fanden Protestaktionen gegen Putins Rede bei der UN-Generalversammlung statt.

Interview

„Die größten Siege und Niederlagen der Ukraine“. Ein Interview mit Rebecca Harms.

„Der Unterschied zwischen West- und Osteuropa vertieft sich“. Ein Interview mit dem schwedischen Redakteur Carl Henrik Fredriksson.

Die Ukraine will Mitglied der NATO werden, möchte die NATO das auch?“ Interview mit dem Diplomat Alexander Khara und dem Analysten Michael Cecire.

Analyse

  1. bis 27. September 2015: Was deutschsprachige Medien zur Ukraine berichteten und was davon bei Facebook diskutiert wurde (auf Deutsch).

„Die Krimblockade: wer macht das und zu welchem Zweck?“ – Diskussion.

Warenblockade der Krim: eine verspätete Demonstration oder eine Herausforderung für die Pläne des Kremls? Ein Analyse der Charkiwer Menschenrechtsgruppe.

Warum provozieren die Stellvertreter des Kremls im Donbas eine humanitäre Katastrophe?

Welche Folgen könnten die Gespräche zwischen Russland und den USA zu Syrien für die Ukraine haben?“

Wöchentliche Übersicht von StopFake: russische Medien verbreiteten einen gefälschten Brief, der behauptet, dass der schwedische Hauptstaatsanwalt versprach, alle Information über ukrainische Kriegsverbrechen als „geheim“ einzustufen. Russische Medien behaupteten, dass der EU-Kommissionspräsident einen “Bürgerkrieg” für die Ukraine will und dass das Land in Schutt und Asche liegt. Russische Medien behaupteten, dass die USA die Unabhängigkeit des Donbass unterstützten. Dies belegten sie mit einer gefälschten Resolution von 1959. Petro Poroschenko behauptete, dass eine Föderalisierung der Ukraine besser sei als ein Einheitsstaat.

Pressekonferenzen in UCMC (auf Deutsch)

Die Änderungen an der Ein- und Ausreiseregelung für das vorübergehend besetzte Gebiet der Autonomen Republik Krim verletzen immer noch Menschenrechte.

Die Krimblockade führte dazu, dass die Krimfrage zurück auf die Tagesordnung der Weltpolitik kam – Experten.

Probleme der Flüchtlinge im Gebiet von Luhansk und deren Lösung.

Der Versuch, die Reform des Staatsdiensts in der Ukraine zu revidieren, schadet den Interessen der Gesellschaft – Experten.